
Essstörungen umfassen psychische Erkrankungen, bei denen das Essverhalten, das Körperbild und das Gewicht zu zentralen Lebensinhalten werden. Die bekanntesten Formen sind Anorexia Nervosa, Bulimia Nervosa und Binge‑Eating‑Störung, doch auch Orthorexie (Zwang zum „sauberen“ Essen) oder Muskeldysmorphie spielen eine zunehmende Rolle. Etwa 5 % der Bevölkerung in deutschsprachigen Ländern sind betroffen, wobei Dunkelziffern hoch sind: Scham und gesellschaftliche Tabus verzögern oft die Diagnose.
Anorexia Nervosa zeichnet sich durch drastische Kalorienreduktion, Untergewicht und eine verzerrte Körperwahrnehmung aus. Die Bulimia Nervosa ist gekennzeichnet durch wiederholte Essanfälle, gefolgt von Erbrechen, Abführmitteln oder übermäßigem Sport. Bei der Binge‑Eating‑Störung treten Essanfälle ohne Gegenmaßnahmen auf, was häufig zu Adipositas führt. Alle Essstörungen können schwerwiegende Komplikationen verursachen: Herzrhythmusstörungen, Osteoporose, Hormonstörungen und im Extremfall Organversagen.
Ursachen sind multifaktoriell: genetische Veranlagung, neurobiologische Ungleichgewichte, familiäre Strukturen und gesellschaftlicher Schlankheitsdruck. Soziale Medien verstärken Vergleiche und fördern Filterblasen, in denen restriktive Diäten als Lifestyle gefeiert werden. Perfektionismus und der Wunsch nach Kontrolle bilden häufig den psychologischen Nährboden.
Warnsignale: heimliches Essen, detailliertes Protokollieren von Kalorien, auffällige Gewichtsschwankungen, Rückzug von gemeinsamen Mahlzeiten, Kälteempfindlichkeit und ausbleibende Menstruation. Psychisch zeigen Betroffene depressive Verstimmungen, Angst und Zwänge. Freunde nehmen oft den süßlichen Geruch von Erbrochenem oder gehäuften Verpackungen von Diätprodukten wahr.
Die Therapie erfordert ein multidisziplinäres Setting: Ernährungsberatung für schrittweisen Kostaufbau, Psychotherapie – insbesondere kognitive Verhaltenstherapie oder Dialektisch‑Behaviorale Therapie – sowie medizinische Überwachung. In Spezialkliniken arbeiten Ärzt:innen, Psycholog:innen und Sozialpädagog:innen Hand in Hand. Medikamente spielen eine untergeordnete Rolle, können jedoch bei Komorbiditäten eingesetzt werden. Angehörige erhalten Anleitung, um Überkontrolle zu vermeiden und Unterstützung anzubieten, ohne Druck auszuüben.
Zur Prävention gehören Projekte wie „Body Positivity“ in Schulen, Medienkompetenzschulungen und gesetzliche Richtlinien gegen extrem retuschierte Werbung. Sportverbände sollten gesunde Gewichtskontrollen etablieren, um Leistungsathlet:innen zu schützen. Arbeitsplätze können Essstörung sensibilisierte BGF‑Programme integrieren.
Schlussendlich gilt: Je früher eine Essstörung erkannt und behandelt wird, desto besser die Prognose. Jeder Schritt – sei es ein offenes Gespräch mit Vertrauenspersonen oder die erste Mahlzeit ohne Zwangsgedanken – bringt Betroffene näher an ein ausgewogenes, selbstbestimmtes Leben.