
Untreue – sei es ein Seitensprung, eine heimliche emotionale Affäre oder intensives Sexting – stellt für viele Paare die schwerwiegendste Vertrauensverletzung dar. In Umfragen berichten rund 25 % der deutschen Befragten von mindestens einem Seitensprung im Laufe ihrer Partnerschaft. Die Grauzone beginnt bei «Was gilt überhaupt als Betrug?»: Für die einen erst körperlicher Kontakt, für andere bereits der intime Chat nach Mitternacht.
Formen der Untreue:
Sexuelle Affäre – reiner Körperkontakt;
Emotionale Affäre – Vertrautheit, geteilte Geheimnisse;
Cyber‑Untreue – erotische Chats, Webcam‑Sex;
Finanzielle Untreue – heimliche Ausgaben für Dritte;
Graubereich – «Micro‑Cheating» wie bewusstes Anlegen eines Dating‑Profils zum Ego‑Push.
Entstehungsfaktoren: Defizite in Zuwendung, fehlende sexuelle Leidenschaft, Verletzungen aus der Vergangenheit, Wunsch nach Anerkennung, Gelegenheit in anonymen Online‑Räumen. Evolutionspsychologische Theorien verweisen auf Fortpflanzungsstrategien, soziologische auf Individualisierungstrends und verlängerte Lebensspannen, die Monogamie herausfordern.
Psychische Auswirkungen: Die betrogene Person erlebt oft Schock, Kränkungswut, Selbstwertsturz und intrusive Bilder. Physiologisch gleichen die Stressreaktionen einem Trauma: Schlaflosigkeit, Appetitverlust, Herzklopfen. Der oder die Untreue schwankt zwischen Schuld, Angst, Erleichterung oder auch Verliebtheit in die Affäre. Kinder spüren Spannungen und können Loyalitätskonflikte entwickeln.
Reparaturprozess laut Paartherapie‑Forschung:
- Ambivalenz klären – will der/die Untreue die Primärbeziehung retten?
- Kontaktsperre zur Affäre – symbolischer Schutzraum für das Paar.
- Offenlegung von Kernfakten ohne traumatisierende Details.
- Validierung der Verletzung – der Betrüger erkennt Ausmaß des Schmerzes an.
- Aufbau neuer Vertrauensroutinen – planbare Check‑ins, transparente Kalender.
- Tiefe Analyse der Beziehungsmuster (Gottman, EFT) und individueller Wunden.
Kulturelle und rechtliche Aspekte: In Deutschland ist Ehebruch seit 1969 nicht strafbar, beeinflusst jedoch gelegentlich Scheidungsfolgen (z. B. Unterhalt, Sorgerecht) durch Gerichtsentscheidungen, die Kindeswohl priorisieren. Religiöse Gemeinschaften können zusätzliche Rituale zur Läuterung verlangen.
Einzeltherapie hilft, Selbstwert und Zukunftsbild wieder aufzubauen, während Paartherapie Kommunikations‑ und Bindungsübungen vermittelt. Online‑Programme (z. B. ReGain) bieten flexible Sitzungen für Fernbeziehungen.
Prävention: regelmäßige Beziehungsgespräche, Sex‑Dates, Realitätscheck von Fantasien, gemeinsames Abstimmen digitaler Regeln (Likes, Ex‑Kontakt). Paare, die bewusst Monogamie diskutieren statt voraussetzen, berichten höheres Zugehörigkeitsgefühl.
Schlusswort: Untreue ist Krise und Chance zugleich. Sie zwingt zur ehrlichen Bestandsaufnahme: sollen Wege sich trennen oder kann Neues entstehen? Mit klaren Entscheidungen, Empathie und professioneller Begleitung lässt sich aus Bruchstücken ein tragfähiges Miteinander oder ein respektvoller Abschied formen.