Die Individualpsychologie nach Alfred Adler beschreibt den Menschen als schöpferisches, soziales Wesen, das bestrebt ist, sich Zugehörigkeit und Bedeutung zu sichern. Anstatt Symptome isoliert zu behandeln, richtet sie den Blick auf den Lebensstil – das persönliche Muster von Denken, Fühlen und Handeln, das sich schon in der frühen Kindheit formt und bis ins Erwachsenenalter fortwirkt.
Zentrale Leitideen
Adler stellte den Begriff Gemeinschaftsgefühl in den Mittelpunkt: Das Erleben, Teil eines größeren Ganzen zu sein und aktiv zum Wohl anderer beizutragen. Gerät dieses Gefühl ins Hintertreffen, entwickelt sich häufig ein Inferioritätsgefühl. Um dies zu kompensieren, schafft der Mensch eine fiktive Zielvorstellung (z. B. «Erst wenn ich perfekt bin, bin ich wertvoll»), die sein Verhalten steuert.
Therapeutische Haltung
Individualpsychologische Therapie ist partnerschaftlich: Klient und Therapeut begegnen sich auf Augenhöhe. Durch die Analyse früher Erinnerungen, Familienkonstellationen und sozialer Vergleiche deckt der Prozess unbewusste Lebensregeln auf. Ziel ist es, die psychologische Beweglichkeit zu erhöhen, statt starre Kompensationen zu festigen.
Methoden
- Ermutigung – Betonung vorhandener Stärken, um Selbstwirksamkeit aufzubauen.
- Umdeutung von Fehlern – „Fehler“ werden als Lernerfahrungen gerahmt.
- Gemeinschaftsprojekte – praktische Aufgaben, die Kooperation im Alltag üben.
- Familienskulptur – visuelle Darstellung von Positionen, um Dynamiken begreifbar zu machen.
Anwendungsfelder
Ob Einzel‑, Paar‑ oder Gruppensetting – die Individualpsychologie findet Einsatz in Beratung, Schulpädagogik, Führungskräfte‑Coaching und Prävention. Empirische Untersuchungen bescheinigen ihr Wirksamkeit bei Depressionen, Ängsten sowie in der Eltern‑Kind‑Schulung.
Warum Individualpsychologie?
Statt sich auf Defizite zu fixieren, lädt dieser Ansatz dazu ein, den Blick auf Beiträge und Stärken zu richten. Wer erkennt, dass Wert nicht über Überlegenheit erschaffen wird, sondern durch sinnvolle Mitgestaltung, kann sein Leben flexibler, kooperativer und letztlich erfüllter gestalten.