Expressive Arts Therapy, im deutschsprachigen Raum oft als „intermodale Kunsttherapie“ bezeichnet, kombiniert Bildende Kunst, Tanz, Musik, Poesie und dramatisches Spiel zu einem holistischen Heilungsprozess. Ausgangsthese: Wenn Sprache versagt, kann der künstlerische Akt Erleben verkörpern und transformieren. Der Therapieraum wird zum Atelier; Leinwand, Trommel und Bewegungsfläche stehen gleichwertig nebeneinander. Der Fokus liegt auf der Wechselwirkung der Modalitäten – eine gemalte Linie wird vertont, ein Klang wird in Gestik übersetzt, ein Körperimpuls in Worte gefasst.
Die Sitzung beginnt meist mit einem „Check‑in des Körpers“: Augen schließen, Mikrobewegungen spüren, Temperatur wahrnehmen. Dann wählt der Klient intuitiv Material. Im Gegensatz zur klassischen Kunsttherapie gibt es keinen fixen Auftrag; der Prozess folgt dem improvisatorischen Prinzip „low skill, high sensitivity“. Das Ergebnis darf roh sein. Im anschließenden Dialog beschreibt der Klient Textur, Rhythmus, Dynamik seiner Kreation. Die Therapeutin spiegelt nicht nur inhaltlich, sondern auch somatisch – sie atmet synchron, spürt die Schwere der Farbe, hört den Nachhall des Trommelschlags.
Empirische Befunde: Eine Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim (HAWK, 2024) zeigte, dass 12 Sitzungen Expressive Arts bei psychosomatischen Patient*innen die alexithymie‑Skala signifikant senkten. fMRI‑Daten wiesen auf erhöhte Konnektivität zwischen Insula und default mode network hin – Korrelat gesteigerter Selbstwahrnehmung.
Anwendungsfelder reichen von Palliativstationen – wo Malen mit Wasserfarben Lebenskontrolle vermittelt – bis zu Teambuilding‑Seminaren, in denen Gruppen gemeinsam Klanglandschaften erschaffen, um Kommunikationsmuster zu reflektieren. Bei Geflüchtetenprojekten werden Märchen in Bildern und Impro‑Theater verwoben, um transkulturelle Identität zu stärken.
Die Ausbildung umfasst mindestens 750 Stunden Theorie und Selbsterfahrung (DGKT‑Standard). Zentrale Kompetenz: «Decentring» – der Therapeut tritt mit seiner Interpretation zurück und vertraut auf die Weisheit des kreativen Prozesses. Ethikleitlinien verlangen besondere Sorgfalt bei Traumamaterial: Werke werden sicher verwahrt, Trigger werden vorab abgeklärt.
Klient*innen berichten nach erfolgreicher Therapie, dass sich Sprache erweitert: „Ich kann fühlen, bevor ich denke.“ Expressive Arts ermutigt dazu, die innere Bühne zu betreten, auf der Farben, Töne und Bewegungen Geschichten erzählen, die Heilung ermöglichen, wo Worte allein nicht ausreichen.