Die personzentrierte Psychotherapie, im deutschsprachigen Raum oft als Gesprächspsychotherapie bezeichnet, wurzelt in Carl Rogers’ humanistischem Menschenbild: Der Mensch ist von Natur aus auf Wachstum ausgerichtet, sofern er ein Klima von Annahme, Echtheit und empathischem Verstehen erfährt. Der Therapeut verzichtet auf Diagnoseetiketten als primären Fokus und stellt stattdessen die subjektive Erlebniswelt des Klienten in den Mittelpunkt. Diese Haltung fordert höchste Selbstkongruenz: Was innerlich...
In der Praxis bedeutet das: Der Therapeut hört aktiv zu, paraphrasiert Gefühle und Bedeutungen und bietet einen Resonanzraum, in dem bislang verdeckte Anteile auftauchen dürfen. Ein Klient sagt etwa: „Ich sollte dankbar sein, aber ich fühle Leere.“ Die Therapeutin antwortet: „Sie spüren eine Leere, obwohl Dankbarkeit erwartet wird – das klingt widersprüchlich und verunsichernd.“ Solche Spiegelungen ermöglichen innere Differenzierung und führen zu neuem Selbsterleben.
Wirksamkeitsforschung der Universität Hamburg (2023) ergab, dass personzentrierte Kurzzeittherapie depressive Symptomatik vergleichbar reduziert wie kognitive Verfahren, bei zugleich höherer Zufriedenheit mit der Beziehungsgestaltung. In psychosomatischen Kliniken wird der Ansatz eingesetzt, um Patient*innen mit chronischen Schmerzen dabei zu unterstützen, einen freundlicheren Dialog mit dem Körper zu entwickeln.
Kritiker bemängeln fehlende Struktur bei komplexen Störungen. Moderne Ausbildungsgänge reagieren darauf, indem sie Methodenkompetenz für Krisenintervention, Trauma‑Sensibilität und interkulturelle Arbeit integrieren. Dennoch bleibt die Grundhaltung unverhandelbar: Der Klient ist Experte seines Lebens. Der Therapeut ist Weggefährte, nicht Reparateur.
Die Wahl einer personzentrierten Therapie ist daher die Entscheidung für ein therapeutisches Feld, in dem Wertschätzung wichtiger ist als Diagnosequoten, in dem langsames Zuhören mehr bewirkt als schnelle Ratschläge. Wenn Menschen erfahren, dass sie gesehen und gehört werden, beginnen sie oft, sich selbst ebenfalls mit Wohlwollen zu betrachten – und genau dort entsteht nachhaltige Veränderung.