Sandspieltherapie – im deutschsprachigen Raum teils als “Sandspiel nach Dora Kalff” bezeichnet – vereint jungsche Symbolarbeit mit einer haptischen Komponente, die besonders bei komplexer Traumatisierung hilfreich ist. Der Sand fungiert als konturiertes, aber formbares Terrain, auf dem innere Szenen sichtbare Gestalt annehmen. Der therapeutische Grundsatz lautet: “Freies und geschütztes Spielfeld”. Klient*innen wählen aus hunderten Miniaturen – Mythenfiguren, moderne Fahrzeuge, Natur-Elemente – und gestalten ohne Regieanweisung.
Währenddessen hält die Therapeutin eine achtsame Präsenz; Eingriffe erfolgen erst nach Fertigstellung oder auf Einladung des Klienten. Die entstehende Landschaft wird fotografisch dokumentiert (mit Zustimmung) und bleibt als Sequenzprozess sichtbar: Frühe Bilder zeigen vielleicht Chaos; später erscheinen Wege, Brücken, Lichtquellen. Eine longitudinale Studie der Universität Zürich (2023) fand, dass bei komplexer PTBS die emotionale Distanzierung (gemessen via CAPS-5) bereits nach sechs Sitzungen signifikant abnahm.
Besonderes Augenmerk gilt der Symbolsprache des Kulturkreises. In Österreich tauchen häufig Alpenmotive auf, die Geborgenheit oder Isolation repräsentieren, während in urbanen Settings Berliner Klient*innen Techno-Symbole integrieren, um Lebensrhythmus abzubilden. Therapeut*innen nutzen kein starres Deutungshandbuch; vielmehr fragen sie: „Was könnte dieses Bergmassiv heute für dich bedeuten?“
Sandspiel ist auch in der Palliative Care angekommen: Sterbende Menschen erschaffen letzte “Lebenslandschaften”, um Bilanz zu ziehen und Botschaften an Hinterbliebene zu hinterlassen. Diese Szene wird fotografisch an Angehörige übergeben, fördert Trauerbewältigung.
Die Ausbildung bei der DGST (Deutsche Gesellschaft für Sandspieltherapie) umfasst 200 Seminarstunden, Selbsterfahrung und Supervision. Lehrinhalte spannen von Entwicklungspsychologie bis Symbolforschung. Ethikmodule betonen, dass Sandbilder Eigentum der Klient*innen bleiben – Interpretationen werden angeboten, nicht oktroyiert.
So eröffnet Sandspieltherapie einen dialogischen Raum, in dem Hände sprechen dürfen, bevor Worte gefunden sind – eine stille Bühne, auf der das Unbewusste seine Geschichte Schritt für Schritt sichtbar macht.