Strukturelle Familientherapie (SFT) hat im deutschsprachigen Raum an Bedeutung gewonnen, weil traditionelle Einzeltherapien die systemischen Dynamiken moderner Patchwork‑ und Mehrgenerationenfamilien oft nicht erfassen. Salvador Minuchins Ansatz betrachtet die Familie als Baustruktur: Träger, Wände, Türen. Wenn Tragwerke schwächeln oder Wände falsch gesetzt werden, entstehen Risse in Form von Symptomen. Ziel der SFT ist es, das Familienstatikmodell umzubauen, sodass Lasten gleichmäßig verteilt und Kom...
Der Therapeut arbeitet aktiv: Er unterbricht Eskalationen, verschiebt Sitzpositionen, stellt zirkuläre Fragen (“Wer fühlt sich verantwortlich, wenn Streit entsteht?”). Dadurch werden Allianzen sichtbar: Ist der zwölfjährige Sohn Verbündeter der Mutter gegen den Vater? Solche Koalitionen werden aufgebrochen, indem der Therapeut kurzfristig Bündnisse eingeht und Grenzen neu markiert.
Zentrale Konzepte sind Grenzen, Hierarchie und Flexibilität. Zu durchlässige Grenzen führen zu Vermischung (“Parentifizierung” der Kinder), zu starre Grenzen resultieren in emotionaler Kälte. Die SFT strebt ein adaptives Gleichgewicht an, in dem Eltern die Führung innehaben, Geschwister autonom interagieren und Großeltern unterstützend, aber nicht dominierend wirken.
Eine Studie der Universität München (2024) belegt, dass nach zwölf Sitzungen SFT die familiäre Kohäsion um 30 % stieg und externalisierendes Verhalten Jugendlicher sank. Als wirksam erwiesen sich “Enactments”: Familienmitglieder spielen typische Streitabläufe nach, während der Therapeut live Regieanweisungen gibt, um neue Interaktionsmuster einzuüben.
Im deutschsprachigen Kontext integriert man oft Familienkonferenzen, in denen auch getrenntlebende Elternteile oder Stiefgeschwister partizipieren. Kulturhistorische Aspekte wie die Rolle des Vereinslebens oder der Einfluss staatlicher Regelwerke (Sorgerecht) werden in die Strukturdiagnose einbezogen.
Die zertifizierte Weiterbildung umfasst 100 Stunden Theorie, 50 Stunden Supervision und Videoanalyse. Am Ende liefert Strukturelle Familientherapie keinen fertigen Bauplan, sondern befähigt die Familie, ihre Architektur fortlaufend an Lebensphasen anzupassen – ein lebendiger Umbauprozess, der Stabilität und Wachstum zugleich ermöglicht.