Stützende Psychotherapie gilt im deutschsprachigen Raum als pragmatisches Gegenstück zu analytischen Langzeitverfahren. Sie richtet sich an Menschen, die Stabilisierung brauchen: Senioren mit Einsamkeit, Studierende in Prüfungskrisen, Patienten mit schweren somatischen Erkrankungen. Das Hauptziel lautet, Ich‑Funktionen zu stärken – also Realitätsprüfung, Affektregulation und Selbstwert – anstatt tiefenbiographische Konflikte aufzudecken.
Zu Beginn erkundet der Therapeut aktuelle Belastungen, stellt aber ebenso Fragen nach bereits bewährten Strategien: „Wie haben Sie ähnliche Situationen früher gemeistert?“ Dadurch wird die Bewältigungskompetenz ins Bewusstsein gerückt. Instrumente sind: strukturierende Gespräche, Psychoedukation über Stressreaktionen, Induktion realistischer Hoffnung. Bei depressiver Symptomatik kann eine Tagesstrukturkarte erstellt werden; jedes abgehakte Kästchen liefert mikro‑Feedback.
Die stützende Haltung zeigt sich in kongruenter Wärme und begrenztem Rat: Der Therapeut darf Orientierung anbieten („Wägen Sie Option A gegen B ab“), ohne autoritäre Vorgaben zu machen. Ein wichtiger Baustein ist die *emotionale Spiegelung*: Trauer wird benannt, nicht wegerklärt. Gleichzeitg gibt es „lobende Verankerung“: Fortschritte, selbst geringfügige („Sie haben heute geduscht und sind erschienen“), werden hervorgehoben, um Selbstwirksamkeit zu erinnern.
Studien der Charité Berlin (2024) belegen, dass 10 Sitzungen Stützender Psychotherapie bei Patient*innen mit chronischen Erkrankungen zu signifikanten Abnahmen von Angstwerten führten, verglichen mit Warteliste. Besonders wirksam waren Wochenaufgaben, bei denen Patienten eine angenehme Aktivität planten und reflexiv protokollierten.
Kulturell sensitiv arbeiten Therapeuten, indem sie lokale Bräuche integrieren – in Bayern etwa regelmässige Waldbaden‑Spaziergänge, in Großstädten Café‑Haus‑Metaphern („Welche Mischung aus Süße und Bitterkeit darf Ihr Tag heute haben?“). Online‑Settings nutzen sichere Video‑Plattformen, wobei der Therapeut auf Signale wie Körperspannung achtet und bei Zoom‑Müdigkeit extra Pausen anbietet.
Stützende Psychotherapie ist somit keine Psychotherapie „zweiter Klasse“, sondern ein robustes Gerüst, das Klient*innen hilft, das Haus ihrer Psyche bei Sturm zu stabilisieren, bis Renovierungen in tieferen Stockwerken anstehen.
