Compassion‑Focused Therapy (CFT) findet im deutschsprachigen Raum zunehmende Verbreitung, vor allem bei Patient*innen, die unter ausgeprägter Scham und gnadenloser Selbstkritik leiden. Paul Gilbert postuliert drei Emotionsregulationssysteme: Bedrohung, Antrieb und Beruhigung. Während klassische Verhaltenstherapie häufig versucht, negative Kognitionen zu korrigieren, zielt CFT darauf ab, das Beruhigungssystem gezielt zu stärken. Dies geschieht durch Übungen, die freundliche Wärme im Körper hervorrufen, ...
In der ersten Phase werden neurobiologische Grundlagen erklärt: Der Mandelkern feuert in Millisekunden, während der präfrontale Kortex langsamer reguliert. Das macht deutlich, warum rein kognitive Einsichten oft nicht ausreichen. Anschließend erstellt die Therapeutin mit dem Klienten eine „Scham‑Landkarte“: Situationen, in denen Scham hochkocht, werden notiert; körperliche Empfindungen, Gedanken („Ich bin nicht genug“) und Vermeidungsstrategien werden sichtbar. Durch achtsames Hinschauen löst sich be...
Kernstück ist das Training des mitfühlenden Selbst. Klient*innen entwickeln eine innere Figur mit Attributen wie Weisheit, Stärke und Fürsorge. Mittels Stuhltechnik führt diese Figur Dialoge mit dem inneren Kritiker. Dabei wird auf Tonlage, Tempo und Körperhaltung geachtet: Schultern zurück, Brustkorb offen, Stimme warm. Neuroimaging‑Studien der Universität München (2022) zeigten erhöhte Aktivität im ventromedialen präfrontalen Kortex während solch imaginativer Interventionen, ein Hinweis auf verbesser...
CFT lässt sich flexibel kombinieren: Bei Borderline‑Symptomatik wird sie in DBT‑Programme integriert, bei Zwangserkrankungen ergänzt sie Exposition um einen gesteigerten Selbst‑Support. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement wird „Führung durch Mitgefühl“ eingesetzt, um Fehlzeiten zu senken und psychische Sicherheit in Teams zu erhöhen.
Therapeut*innen benötigen spezifische Fortbildung; kurze Workshops genügen nicht, denn die Methode erfordert eigene Selbst‑Mitgefühls‑Praxis. Supervision fokussiert daher nicht nur auf Technik, sondern auch auf mitfühlende Haltung. Klient*innen berichten, dass sie nach durchschnittlich 16 Sitzungen das innere Klima spürbar verändert haben: Gedanken von „Du Versager“ treten seltener auf, Stress wird früher erkannt und reguliert.
Wer CFT ausprobieren möchte, sollte im Erstgespräch klären, ob das Vorgehen passend ist: Gibt es Bereitschaft für Imagery und körperzentrierte Übungen? Passt der therapeutische Stil? Ist die Praxis barrierefrei, um Erschöpfung bei Schamattacken zu vermeiden? Unter günstigen Bedingungen entfaltet CFT eine leise, aber kraftvolle Wirkung: Sie verwandelt den inneren Dialog in einen Raum, in dem Fehltritte Lernchancen sind und menschliche Unvollkommenheit willkommen ist.